Die Zeuginnen: Roman

Pressestimmen "ein Spionageroman nach der Art von John Le Carré, durchsetzt mit Dickens’scher Satire und Atwoods typischen humoristischen Anstrichen" -- Gina Thomas, FAZ Published On: 2019-09-10»Margaret Atwood hat einen temporeichen Roman aus unterschiedlichen Perspektiven geschrieben, mit düsterem Humor, aber genauso erschreckend wie der Vorgänger.«, FORUM Magazin Published On: 2019-12-13»Weniger parabelhaft als der Vorgänger, ungemein spannend und mit fein abgewogenem Humor.«, Weser Kurier Published On: 2019-12-07»Mit den drei weitgehend unabhängig voneinander erzählten Erlebnisberichten hat Margaret Atwood ein komplexes Bild einer von Angst und Unterdrückung beherrschten Gesellschaft gezeichnet.«, Halterner Zeitung Published On: 2019-12-04»Eine bissige Satire aus der Perspektive von drei Menschen«, General-Anzeiger Published On: 2019-12-02»Der erhobene Zeigefinger ist Atwoods Geste nie gewesen, sie setzt lieber auf Schockeffekte – und bleibt als Meisterin zahlreicher Untergangsfantasien eine der lebendigsten und geistig jüngsten Schriftstellerinnen der Gegenwartsliteratur.«, Rolling Stone Published On: 2019-11-21»Margaret Atwood hat mit ›Die Zeuginnen‹ ihre Dystopie näher an unsere Gegenwart herangeführt, auch im Stil, etwa wenn sie die Handlungsstränge im Stil eines rasanten Spionagethrillers miteinander verknüpft.«, Stuttgarter Zeitung Online Published On: 2019-11-19»So spannend wie der Vorgänger, aber hoffnungsvoller und mit schwarzem Humor«, Brigitte Woman Published On: 2019-11-06»Ein packender Thriller« -- Thomas Andre, Hamburger Abendblatt Published On: 2019-11-05»Ein packender Thriller, der den Leser bis zur letzten Seite fesselt.«, NDR Kultur "Am Morgen vorgelesen" Published On: 2019-11-04 Über den Autor und weitere Mitwirkende Margaret Atwood, geboren 1939 in Ottawa, gehört zu den bedeutendsten Erzählerinnen unserer Zeit. Ihr »Report der Magd« wurde zum Kultbuch einer ganzen Generation. Bis heute stellt sie immer wieder ihr waches politisches Gespür unter Beweis, ihre Hellhörigkeit für gefährliche Entwicklungen und Strömungen. Sie wurde vielfach ausgezeichnet, unter anderem mit dem renommierten Man Booker Prize, dem Nelly-Sachs-Preis, dem Pen-Pinter-Preis und dem Friedenspreis des Deutschen Buchhandels. Margaret Atwood lebt in Toronto.Monika Baark, 1968 in Tel Aviv geboren, studierte Anglistik und Kunstgeschichte. Sie lebt in Berlin und übersetzt u.a. Margaret Atwood, Vendela Vida, Jeanette Winterson, Amity Gaige und Miriam Toews. Leseprobe. Abdruck erfolgt mit freundlicher Genehmigung der Rechteinhaber. Alle Rechte vorbehalten. »Jede Frau soll dieselben Eigenheiten aufweisen, sonst gilt sie als Ungeheuer.« George Eliot, Daniel Deronda »Wenn wir einander ansehen, dann erkennen wir nicht nur ein verhasstes Gesicht, sondern wir schauen in einen Spiegel … Erkennen Sie sich denn nicht selbst?« Obersturmbannführer Liss zu dem alten Bolschewiken Mostowskoi; Wassili Grossman, Leben und Schicksal »Sie lernte allmählich, dass Freiheit schwer wog, dass sie eine Bürde, eine große und seltsame Last war, die der Seele zugemutet wird … Sie ist keine Gabe, die gegeben, sondern eine Wahl, die getroffen wird, und die Wahl fällt schwer. Ursula K. Le Guin, Die Gräber von Atuan I Denkmal Das Hologramm von Haus Ardua 1  Nur Tote dürfen Denkmäler haben, ich aber habe zu Lebzeiten eines bekommen. Schon jetzt bin ich versteinert. Dieses Denkmal sei ein kleines Zeichen der Anerkennung für meine zahlreichen Verdienste, hieß es in der Würdigung, die von Tante Vidala vorgetragen wurde. Unsere Obrigkeit hatte sie dazu verpflichtet, was bei ihr nicht gerade auf Gegenliebe stieß. Ich dankte ihr mit aller aufzubietenden Bescheidenheit, dann zog ich an dem Seil und löste damit den Stoffvorhang, der mich verhüllte; sich bauschend sank er zu Boden, und da stand ich. Bei uns in Haus Ardua wird nicht gejubelt, aber hier und da wurde diskret applaudiert. Ich neigte den Kopf zu einem Nicken. Mein Denkmal ist wie die meisten Denkmäler überlebensgroß, es zeigt mich als jüngere, schlankere Frau und besser in Form, als ich es seit Langem bin. Ich stehe kerzengerade da, meine steinernen Lippen sind zu einem festen, aber wohlwollenden Lächeln geformt. Meine Augen sind auf irgendeinen kosmischen Bezugspunkt gerichtet, was offenbar meinen Idealismus darstellen soll, mein tadelloses Pflichtbewusstsein, meine Entschlossenheit, allen Widrigkeiten zum Trotz voranzuschreiten. Nicht, dass am Himmel irgendetwas zu sehen wäre für mein Denkmal, dort, wo es aufgestellt wurde, inmitten von trübsinnigen Bäumen und Büschen neben dem Weg, der an Haus Ardua vorbeiführt. Wir Tanten sollen uns nichts einbilden, nicht mal die steinernen. An der linken Hand halte ich ein Mädchen von acht oder neun Jahren, das vertrauensvoll zu mir hochschaut. Meine rechte Hand ruht auf dem Kopf einer Frau, die an meiner Seite hockt, das Haar bedeckt, den Blick gen Himmel, ein Ausdruck, der Duckmäusertum oder Dankbarkeit bedeuten könnte – es ist eine unserer Mägde –, und hinter mir steht eines meiner Perlenmädchen, wie im Aufbruch zu ihrer Missionsarbeit begriffen. An meinem Gürtel hängt mein Viehtreiber. Diese Waffe erinnert mich an meine Versäumnisse: Wäre ich resoluter gewesen, hätte ich ein solches Hilfsmittel gar nicht gebraucht. Meine Stimme allein hätte vollauf genügt. Als Gruppendenkmal ist das Werk nicht sehr gelungen: total überfüllt. Besser gefunden hätte ich einen stärkeren Akzent auf meine Person. Aber zumindest sehe ich aus wie ein klar denkender Mensch. Es hätte durchaus anders sein können, da die betagte Bildhauerin – eine wahre Gläubige, inzwischen entschlafen – dazu neigte, ihre Sujets mit Glupschaugen auszustatten, um deren religiöse Inbrunst zu unterstreichen. Ihre Büste von Tante Helena sieht tollwütig aus, die von Tante Vidala nach Schilddrüsenüberfunktion, und ihre Tante Elizabeth wirkt, als würde sie gleich platzen. Bei der Enthüllung war die Bildhauerin nervös. War ihre Darstellung schmeichelhaft genug? Würde ich sie gutheißen? Würde ich sie vor aller Augen gutheißen? Ich spielte mit dem Gedanken, beim Fallen des Stoffs die Stirn zu runzeln, aber ich besann mich eines Besseren: Es ist ja nicht so, als hätte ich kein Mitgefühl. »Sehr lebensecht«, sagte ich. Das war vor neun Jahren. Seitdem ist mein Denkmal verwittert: Die Tauben haben mich dekoriert, Moos sprießt aus meinen feuchten Ritzen. Fromme Verehrerinnen legen mir regelmäßig Opfergaben zu Füßen: Eier für Fruchtbarkeit, Orangen, die die Fülle der Schwangerschaft andeuten sollen, Croissants, die auf den Mond anspielen. Die Backwaren ignoriere ich – meist hat es draufgeregnet –, doch die Orangen stecke ich ein. Orangen sind so erfrischend.   Dies schreibe ich in meinem Privatgemach in der Bibliothek von Haus Ardua – einer der wenigen verbliebenen Bibliotheken nach den eifrigen Bücherverbrennungen landauf, landab. Die verderbten und blutigen Fingerabdrücke der Vergangenheit müssen getilgt werden, um einen sauberen Ort zu schaffen für die sicherlich bald kommende Generation, die reinen Herzens ist. So die Theorie. Aber unter diesen blutigen Fingerabdrücken sind welche, die von uns selbst stammen, und die lassen sich nicht so leicht beseitigen. Über die Jahre habe ich viele Leichen in den Keller gebracht, nun bin ich geneigt, sie wieder ans Tageslicht zu holen – und sei es nur zu deiner Erbauung, mein unbekannter Leser. Wenn du dies gerade liest, wird zumindest dieses Manuskript überlebt haben. Aber vielleicht fantasiere ich nur: Vielleicht werde ich nie einen Leser haben. Vielleicht rede ich in gleich mehrfacher Hinsicht nur mit der Wand. Genug geschrieben für heute. Mir tut die Hand weh, mir tut der Rücken weh, und meine allabendliche heiße Milch wartet auf mich. Ich werde das Geschriebene in sein Versteck geben, fernab der Überwachungskameras – ich weiß, wo sie sind, da ich sie selbst installiert habe. Trotz solcher Vorkehrungen bin ich mir meines Risikos bewusst: Schreiben kann gefährlich sein. Welche Formen von Verrat und dann, welche Denunzierungen könnten mich erwarten? Es gibt einige in Haus Ardua, die diese Seiten liebend gern zwischen die Finger bekommen würden. Wartet, rate ich ihnen schweigend: Es wird noch schlimmer kommen. II Kostbare Blume Abschrift der Zeugenaussage 369A 2  Ich soll euch erzählen, wie es für mich war, im Innern von Gilead aufzuwachsen. Ihr sagt, es wäre hilfreich, und ich möchte euch ja gern helfen. Vermutlich rechnet ihr mit nichts als Gräueln, doch wahr ist, dass viele Kinder geliebt und verhätschelt wurden, in Gilead genau wie überall, und dass viele Erwachsene liebevoll, aber fehlbar waren, in Gilead genau wie überall. Ich hoffe, ihr werdet zudem berücksichtigen, dass wir alle ein wenig nostalgisch werden, wenn wir an das Gute denken, das uns als Kind auf die eine oder andere Weise widerfahren ist, egal, wie absonderlich die Umstände dieser Kindheit Außenstehenden erscheinen mögen. Ich stimme euch zu, dass Gilead in Vergessenheit geraten sollte – zu viel davon war verkehrt, zu viel heuchlerisch, und es gab zu viel, das sicherlich unvereinbar mit dem Willen Gottes ist – aber ein wenig Raum müsst ihr mir gönnen, um das Gute zu betrauern, das uns verloren gehen wird.   An unserer Schule stand Rosa für Frühling und Sommer, Violett für Herbst und Winter, Weiß für besondere Tage: Sonntage und Feierlichkeiten. Bedeckte Arme, bedecktes Haar, die Röcke bis zum fünften Geburtstag knielang und danach höchstens eine Handbreit über dem Knöchel, denn die Begierden der Männer waren etwas Schreckliches, und diese Begierden mussten in Schach gehalten werden. Die Männeraugen, die immer hierhin schweiften und dorthin schweiften wie die Augen eines Tigers, diese Scheinwerferaugen mussten abgeschirmt werden von der betörenden und wahrhaft blendenden Macht, die wir waren – von unseren wohlgeformten oder dünnen oder dicken Beinen, von unseren anmutigen oder knubbligen oder wurstförmigen Armen, von unserer Pfirsichhaut oder unserem fleckigen Teint, von unseren glänzenden Locken oder unseren störrischen Mähnen oder unseren strohigen Zöpfen, es spielte keine Rolle. Wie wir auch aussehen mochten, ob wir wollten oder nicht, wir waren Fallstrick und Verlockung, wir waren die unschuldige und schuldlose Ursache dafür, dass wir allein durch unser Dasein die Männer trunken machen konnten vor Lust, bis sie ins Taumeln gerieten und in den Abgrund stürzten – in welchen Abgrund eigentlich?, fragten wir uns, war es wie eine Klippe? – und in Flammen aufgehen würden wie Schneebälle aus brennendem Schwefel, geschleudert von der zornigen Hand Gottes. Wir...

holen Diese sich nun Die Exemplar

Iklan Atas Artikel

Iklan Tengah Artikel 1

Iklan Tengah Artikel 2

Iklan Bawah Artikel